23.10.2012 14:02
Familienrecht

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Haftung der Eltern

Verletzung der Aufsichtspflicht – wann haften Eltern für ihre Kinder?

Alle Eltern kennen die öffentlichen Schilder mit der Aufschrift „Eltern haften für ihre Kinder.“   Von diesem Grundsatz besteht jedoch dann eine Ausnahme, wenn der Erziehungsberechtigte beweisen kann, dass er seiner Aufsichtspflicht ausreichend nachgekommen ist oder der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung eingetreten wäre.

Das Maß und der Umfang der jeweiligen Aufsichtspflicht richtet sich nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie dessen, was den Eltern zuzumuten ist.

Der Bundesgerichtshof hat hierzu nachfolgende Grundsätze entwickelt.

Fallbeispiel

Ein 5 ½ jähriger Junge hatte zusammen mit seinem 7 ½ jährigen Freund 17 PKW zerkratzt, welche auf einem Parkplatz standen, die zu einem Wohnkomplex gehörten. Zu diesem gehörte auch ein Spielplatz, auf dem die beiden Jungen vor dem Schadensereignis gespielt hatten.

Die Mutter des 5 ½ jährigen Jungen hatte diesen zunächst zum Spielplatz gebracht. Sodann kehrte sie in die Wohnung zurück, um dort auf Toilette zu gehen. Zuvor hatte die Mutter ihren Sohn ermahnt, den Spielplatz nicht zu verlassen. Unstreitig war die Mutter sodann erst wieder nach mehr als 40 Minuten zum Spielplatz zurückgekehrt.

Das Gericht hat in diesem konkreten Fall zunächst ausgeführt, dass keine erhöhte bzw. gesteigerte Aufsichtspflicht der Mutter bestand. Eine solche ist dann gegeben, wenn das Kind oder der Jugendliche zu „üblen Streichen oder Straftaten“ neigt. Das Ausmaß des Schadens ist nicht entscheidend, sondern die Frage, inwieweit der Minderjährige bereits vorher auffällig geworden ist und das Verhalten über das normale und altersgerechte Benehmen hinausgeht.
 

Im vorliegenden Fall wurde also festgestellt, dass es sich um einen normal entwickelten und bis dahin unauffälligen 5 ½ jährigen Jungen handelte, bei dem keine erhöhte Beaufsichtigungsnotwendigkeit bestand, sondern eben nur die allgemein erforderliche und altersgerechte Aufsicht geboten war.

Ansicht des Bundesgerichtshof

Der BGH ist der Ansicht, dass Kinder in diesem Alter grundsätzlich eine gewisse Zeit ohne unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit und Aufsicht sich selbst überlassen werden können, da zu ihrer Entwicklung auch der Aufenthalt und das Spielen im Freien gehört, ohne auf Schritt und Tritt beaufsichtigt zu werden.

Dies soll für Kinder ab 4 Jahren gelten, wobei eine regelmäßige Kontrolle in kurzen Zeitabständen erforderlich ist.

Kinder in diesem Alter dürfen mithin ohne ständige Überwachung im Freien, so auf Spielplätzen oder Sportgelände oder auch in "Spielstraßen" (sog. verkehrsberuhigte Bereiche), spielen. Die Kontrollabstände sollten sich zwischen 15 bis längstens 30 Minuten bewegen.

Die Abwesenheit der Mutter in dem oben geschilderten Fall von wenigstens 40 Minuten war somit zu lang, da bei einem auch vollkommen normal entwickelten 5 ½- jährigen Kind der natürliche Spieltrieb zu berücksichtigen ist und überdies noch nicht eine Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung der Beschädigung fremden Eigentums erwartet werden kann.

Die Grenze der Kontrollabstände sollte somit in dieser Altersstufe keinesfalls 30 Minuten übersteigen.


Anette Scharf
- Fachanwältin für Familienrecht -