14.04.2016 09:45
Zivilrecht, Bankrecht

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Bausparkassen-Kündigungen

Kündigung alter, gut verzinster Bausparverträge - rechtmäßig oder nicht?

Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart sorgt aktuell bei Bausparern und Bausparkassen gleichermaßen für Aufregung. Es geht um die Kündigung von alten, gut verzinsten Bausparverträgen, die zwar zuteilungsreif, deren Bausparsumme jedoch noch nicht in voller Höhe angespart ist.
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Drohen gutverzinsten Altverträgen die Kündigung durch die Bausparkassen?

Die Entscheidung darüber, ob eine Kündigung in diesen Fällen rechtmäßig ist oder nicht, fällt in der Rechtsprechung konträr aus. Zuletzt hat das Oberlandesgericht Stuttgart eine Kündigung als nicht zulässig angesehen. Noch ist dieses Urteil nicht rechtskräftig. Die Entscheidung liegt nun in Händen des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe. 

Der Konflikt bezüglich der Kündbarkeit von Bausparverträgen

Grundsätzlich kann eine Bausparkasse nach § 489 BGB einen Bausparvertrag kündigen, wenn er mindestens zehn Jahre alt ist und die Bausparsumme in voller Höhe angespart wurde. Mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kann dann der Vertrag seitens der Bausparkasse gekündigt werden. Aufgrund der aktuellen Null-Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), gehen Bausparkassen vermehrt dazu über, gut verzinste Altverträge zu kündigen. Grund sind die vergleichsweise hohen Zinsen, mit denen Altverträge veranlagt und die für Bausparkassen nicht rentabel sind. Gekündigt werden nicht nur voll besparte und zuteilungsreife Bausparverträge, sondern auch solche, die zwar zuteilungsreif, aber noch nicht voll bespart sind. Das ist rechtlich zweifelshaft und hat in der Rechtsprechung zu kontroversen Urteilen geführt, was Bausparkassen und Bausparer gleichermaßen verunsichert. 

Bisherige Klagen gegen Kündigungen der Bausparkassen

Es gibt bereits mehrere Verfahren, mit denen sich Bausparer dagegen gewehrt haben und wehren, dass Ihre Verträge gekündigt werden:

Oberlandesgericht Stuttgart: Kein gesetzliches Kündigungsrecht der Bausparkasse

Ein wegweisendes Urteil ist das des OLG Stuttgart vom 30.03.2016 - Az.: 9 U 171/15, das im Gegensatz zu anderslautenden Entscheidungen, zum Beispiel der Oberlandesgerichte Hamm, München, Koblenz und Celle, steht. In seinem Urteil kommt das Oberlandesgericht Stuttgart zu dem Ergebnis, dass ein Bausparvertrag von einer Bausparkasse nur dann gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) gekündigt werden kann, wenn ein Bausparer die Aufforderung, die vereinbarten Sparbeträge zu zahlen, ignoriert hat. Geklagt hatte eine Bausparerin, weil der Bausparvertrag mit einer angesparten Bausparsumme in Höhe von 20.500 Euro durch die Bausparkasse Wüstenrot unter Berufung auf das gesetzliche Kündigungsrecht gekündigt worden war. Die Zahlungen hatte die Bausparerin im Jahr 1994 aufgrund der Zuteilungsreife des Bausparvertrages eingestellt, obwohl die Bausparsumme zu diesem Zeitpunkt noch nicht in voller Höhe angespart war. 

Landgericht Stuttgart: Es kommt auf das Erreichen der Bausparsumme an

Das LG Stuttgart hat in seinem Urteil vom 12.11.2015 bereits zugunsten der Bausparer entschieden. Es bejaht grundsätzlich die Anwendbarkeit des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf Bausparverträge. Bezüglich des Merkmals "vollständiger Empfang" stellt das Landgericht nicht auf den Zeitpunkt der Zuteilungsreife, sondern auf das Erreichen der Bausparsumme ab. 

Bislang uneinheitliche Rechtsprechung bezüglich der Kündbarkeit von Bausparverträgen

Die Rechtsprechung zum Kündigungsrecht bei Bausparverträgen ist in der Vergangenheit uneinheitlich:

  • Mit Urteil vom 09.10.2015 hat das Landgericht Karlsruhe - Az.: 7 O 126/15 - entschieden, dass die Kündigung einer Bausparkasse eines seit 2002 zuteilungsreifen, aber noch nicht voll besparten Bausparvertrages, nicht rechtmäßig ist.
  • Anderer Meinung waren das LG Stuttgart mit Urteil vom 15.09.2015 - Az.: 25 O 89/15 - und das LG Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 17.08.2015 - Az.: 6 O 1708/15, die beide zugunsten der Bausparkassen entschieden haben.
  • Das Amtsgericht Ludwigsburg hat mit Urteil vom 07.08.2015 - Az.: 10 C 1154/15 - die Frage verneint, ob eine außerordentliche Kündigung eines Bausparvertrages bei Zuteilungsreife rechtmäßig ist. Damit hat das AG Ludwigsburg gleich einer ganzen Reihe von Entscheidungen widersprochen, in denen die außerordentliche Kündigung des Bausparvertrages bei Zuteilungsreife bejaht worden war. Dazu gehören unter anderem das Urteil des LG Mainz vom 28.07.2014 (Az.: 5 O 1/14), das Urteil des LG Hannover vom 30.06.2015 (Az: 14 O 55/15) und das Urteil des LG Aachen vom 19.05.2015 (Az: 10 O 404/15). Das Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg wird durch höchstrichterliche Rechtsprechung überprüft, deren Urteil bezüglich der außerordentlichen Kündigung eines Bausparvertrags nach Zuteilungsreife noch aussteht.

Was Bausparer jetzt tun können:

Haben Sie als Bausparer eine Kündigung Ihres Bausparvertrags erhalten, sollten Sie der Kündigung schriftlich widersprechen, sofern Sie an Ihrem Bausparvertrag festhalten wollen. Gerne übernehmen wir das für Sie. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es ohnehin sinnvoll, sich beraten zu lassen. Die Hassenpflug Rechtsanwaltsanwaltsgesellschaft mbH mit insgesamt vier Niederlassungen in Kassel, Homberg/Efze, Schwalmstadt-Treysa und Bad Hersfeld ist Ihr Ansprechpartner im Kapitalanlagerecht. Wir setzen uns engagiert für die Rechte unserer Mandanten ein. Nehmen Sie mit uns Kontakt auf.

Die Bedeutung des Urteils des OLG Stuttgart für die Zukunft

Das Urteil des OLG Stuttgart vom 30.03.2016 ist noch nicht rechtskräftig. Nach eigenen Angaben möchte es im Wege einer Revision bewusst den Weg für eine Entscheidung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe ebnen. Auch wenn die Entscheidung von Bausparern begrüßt wird, wird die in diesem Urteil unterlegene Bausparkasse Wüstenrot die nächst höhere Instanz anrufen, und das ist der BGH. Die höchstrichterliche Entscheidung darf mit Spannung erwartet werden. Sie wird darüber entscheiden, ob sich Bausparkassen in Bezug auf die Kündigung von zuteilungsreifen und noch nicht voll besparten Bausparverträgen auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB berufen können oder nicht.

 

Bildquelle: Thomas Kohler, CC-BY 2.0, flickr.com/photos/mecklenburg/4832147356