21.04.2015 14:14
Arbeitsrecht

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Tarifverträge

Der Grundsatz der Tarifeinheit im Arbeitsrecht

Zahlreiche Arbeitsverhältnisse werden in Deutschland von Tarifverträgen bestimmt. Die wenigen Arbeitnehmer allerdings kennen sich aber mit den Problemen aus, die im Zusammenhang mit Tarifverträgen vorkommen. Die folgende Ausarbeitung gibt einen kurzen rechtlichen Überblick über den Grundsatz der Tarifeinheit, der immer wieder Diskussionsstoff bietet.

Bedeutung und Entwicklung

Der Grundsatz der Tarifeinheit besagt "Ein Betrieb - ein Tarifvertrag". Dieses Prinzip galt seit den 50er Jahren im Arbeitsrecht. Durch den Grundsatz der Tarifeinheit, der von den Gewerkschaften und Arbeitgebern befürwortet wird, gilt in einem Unternehmen nur der Tarifvertrag mit der Gewerkschaft, die auch die meisten Mitglieder im Unternehmen hatte. Die Tarifverträge anderer Gewerkschaften mit weniger Mitgliedern werden hierbei verdrängt. 

Ist der Arbeitgeber an mehrere Tarifverträge gebunden, sei es durch Verbandsmitgliedschaft oder Gesetz, liegt die sogenannte Tarifpluralität vor. Diese Tarifpluralität führt dann zu einer echten Tarifkonkurrenz, wenn auch der Arbeitnehmer an die Tarifverträge gebunden ist, so dass ein Arbeitsverhältnis von mindestens zwei Tarifverträgen unmittelbar und zwingend gestaltet wird, ohne dass diese Tarifverträge aufeinander abgestimmt waren.
Das Prinzip der Tarifeinheit sei erforderlich, um andauernde Tarifverhandlungen und Arbeitskämpfe zu verhindern und es für den Arbeitgeber praktischer zu machen, da er dann nur an einen Tarifvertrag gebunden sei.


Das Bundesarbeitsgericht hat aber dieses Prinzip in einer Entscheidung von 2010 gekippt. In deutschen Betrieben sollte es künftig nicht mehr nur einen Tarifvertrag geben, sondern mehrere nebeneinander.

Begründet wurde dies damit, dass der Grundsatz der Tarifeinheit gegen die grundrechtlich geschützte positive Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) der Mitglieder der Tarifvertragsparteien, deren Tarifverträge verdrängt werden, verstößt. Diese würden dann auf den Status von Nichtorganisierten zurückfallen. Sie müssten dann entweder die Organisation wechseln oder ohne den Schutz des Tarifvertrages leben. Der Grundsatz der Tarifeinheit verletzt zudem die kollektive Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften, deren Tarifvertrag verdrängt wird. Eine gesetzliche Grundlage fehlt zudem auch, denn das Prinzip war eine Erfindung der Rechtsprechung. 

Anlass für diese Entscheidung war die Klage von zwei Ärzten, die Mitglied in der Ärztegewerkschaft Marburger Bund waren. Nachdem die Kliniken auf alle Beschäftigten den mit ver.di vereinbarten Tarifvertrag anwandten, verlangten die Ärzte Zulagen nach dem Bundesangestelltentarif, den ihre Gewerkschaft mit dem Arbeitgeber geschlossen hatte. Durch die Anwendung des Tarifvertrages mit ver.di im Betrieb, wurde der Tarifvertrag des Marburger Bundes verdrängt.

Nach der Entscheidung des BAG ist das Ergebnis anders ausgefallen. Der ver.di Tarifvertrag hat nicht den Tarifvertrag, den der Arbeitgeber mit dem Marburger Bund geschlossen hat, verdrängt; somit galt der Tarifvertrag des Marburger Bundes für seine Mitglieder und die Ärzte hatten Anspruch auf die Zulagen.   

Der Grundsatz der Tarifeinheit wird in der juristischen Literatur und in Fachkreisen schon seit über 10 Jahren stark kritisiert, so dass für diese die Abkehr von dem Grundsatz keine große Überraschung darstellte. Die Befürworter der Tarifeinheit befürchteten allerdings eine Zersplitterung der Tariflandschaft und eine Spaltung der Belegschaft verbunden mit einem Streikchaos. In der Praxis hatte der Grundsatz der Tarifeinheit ohnehin wenig Relevanz. Am Beispiel der Deutschen Bahn war erkennbar, dass hier ohnehin mehrere Tarifverträge von den verschiedenen Gewerkschaften wie Transnet, GDBA oder GDL Geltung fanden. Eine wirkliche Veränderung bedeutete die Abschaffung des Grundsatzes wohl nicht.

 

Nelab Saighani
ref. iur.