04.12.2017 12:41
Familienrecht, Steuerrecht

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Unternehmensbewertung im Zugewinnausgleich

BGH berücksichtigt konkreten Unternehmerlohn

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 08.11.2017, AZ: XII ZR 108/16 ist vom Zugewinnausgleichspflichtigen der im Rahmen der Unternehmensbewertung zu berücksichtigende Unternehmerlohn konkret darzulegen und zu beweisen.
Unternehmerscheidung

Scheidung für Unternehmer

Der BGH hat mit Urteil vom 08.11.2017 Aktenzeichen: XII ZR 108/16 zur Anwendung des Ertragswertverfahrens bei der Unternehmensbewertung im Zugewinnausgleich Stellung genommen.

Häufiger Diskussionspunkt bei der Scheidung von Ehegatten mit einer Unternehmensbeteiligung ist die Bewertung des Unternehmens im sog. Anfangs- und Endvermögen des Zugewinnausgleichspflichtigen. 

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Ehemann und drei weitere gleichberechtigte Gesellschafter im Jahr 1994 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: GbR) gegründet. Die GbR ging mit Wirkung zum 1. März 2000 im Wege der Anwachsung auf die von den vier GbR-Gesellschaftern gegründete GmbH über. Die GmbH wiederum wurde rückwirkend zum 1. Januar 2000 auf die zeitgleich von den vier GbR-Gesellschaftern gegründete nicht börsennotierte AG, an der die vier Gesellschafter jeweils 25 % der Aktien übernahmen, verschmolzen. Gegenstand des Geschäftsbetriebs war unter anderem die Entwicklung und der Vertrieb von Spracherkennungs- und Sprachlernsoftware.

Die Klägerin hat in erster Instanz einen Zugewinnausgleichsanspruch von (zuletzt) rund 850.000 € geltend gemacht.

Der BGH führt aus, dass für die Bewertung des Endvermögens nach § 1376 Abs. 2 BGB der objektive (Verkehrs-)Wert der Vermögensgegenstände maßgebend sei. Ziel der Wertermittlung sei es deshalb, die Unternehmensbeteiligung des Ehegatten mit ihrem "vollen, wirklichen" Wert anzusetzen. Grundsätze darüber, nach welcher Methode das zu geschehen habe, enthalte das Gesetz nicht. Die sachverhaltsspezifische Auswahl aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Methoden (Anm: der Unternehmensbewertung) und deren Anwendung sei Aufgabe des sachverständig beratenen Tatrichters. Seine Entscheidung könne vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstosse oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruhe (Senatsbeschluss vom 6. November 2013 XII ZB 434/12 FamRZ 2014, 98 Rn. 34 mwN und Senatsurteil BGHZ 188, 249 = FamRZ 2011, 1367 Rn. 24 mwN). Das vom Berufungsgericht angewandte Ertragswertverfahren sei nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im Regel-fall geeignet, um zur Bemessungsgrundlage für den Wert einer Unternehmensbeteiligung zu gelangen (vgl. Senatsbeschluss vom 6. November 2013 XII ZB 434/12 - FamRZ 2014, 98 Rn. 35 mwN).

Bei freiberuflichen Praxen und inhabergeführten Unternehmen könne die Bewertung allerdings grundsätzlich nicht nach dem reinen Ertragswertverfahren erfolgen, weil sich die Ertragsprognose kaum von der Person des Inhabers trennen ließe und der Ertrag von ihm durch unternehmerische Entscheidungen beeinflusst werden könne.

Zudem könne die Erwartung künftigen Einkommens die der individuellen Arbeitskraft des Inhabers zuzurechnen sei, nicht maßgebend sein, weil es beim Zugewinnausgleich nur auf das am Stichtag vorhandene Vermögen ankomme. Daher habe der Senat für solche Fälle eine modifizierte Ertragswertmethode gebilligt, die sich an den durchschnittlichen Erträgen orien-tiere und davon einen Unternehmerlohn des Inhabers absetze (Senatsurteil BGHZ 188, 282 = FamRZ 2011, 622 Rn. 19 f., 27 mwN). Die Bestimmung dieses Unternehmerlohns müsse sich an den individuellen Verhältnissen des Inhabers orientieren. Denn nur auf diese Weise könne der auf den derzeitigen Inhaber bezogene Wert ausgeschieden werden, der auf dessen persönlichem Einsatz beruhe und nicht auf den potenziellen Erwerber übertragbar sei (Senats-urteile BGHZ 188, 249 = FamRZ 2011, 1367 Rn. 29 und BGHZ 188, 282 = FamRZ 2011, 622 Rn. 28).

So seien im vorliegenden Fall die Ergebnisse der GbR daher um diejenigen Beträge zu bereinigen, die die AG aufwenden müsse, um die von den Gesellschaftern ohne Vergütung erbrachten Leistungen am Markt "einzukaufen", die sie also als das Betriebsergebnis reduzierende Vergütungen für Beschäftigte zu erbringen hätte (vgl. auch IDW-Praxishinweis 1/2014, IDW-FN 2014, 282 Rn. 32; IDW Standard 13, IDWLife 2016, 574 Rn. 31).

Für die Ertragskraft eines Unternehmens sei ein maßgeblicher Faktor, welcher Personalaufwand betrieben werde. Soweit der Gesellschafter selbst ohne Vergütung Tätigkeiten jedweder Art für das Unternehmen erbringe und dadurch Personalkosten erspare, sei hierfür ein kalkulatorischer Unternehmerlohn anzusetzen, weil dem potenziellen Unternehmenserwerber die "kostenlose" Arbeitskraft des Unternehmers nicht mehr zur Verfügung stünde. Nichts anderes gelte für den vorliegenden Fall, in dem eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse von GbR und AG hergestellt werden müssten (vgl. auch IDW Standard 13, IDWLife 2016, 574 Rn. 28 ff.). 

Das Berufungsgericht habe seinen Blickwinkel in unzulässiger Weise verengt, indem es allein auf § 202 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. d BewG abgestellt und deshalb als Unternehmerlohn nur die Vergütung angesetzt habe, die eine Fremdgeschäftsführung erhalten würde (vgl. dazu etwa Eisele in Rössler/Troll BewG [Stand: April 2015] § 202 Rn. 5 ff.; Mannek in Gürsching/Stenger BewG [Stand: Juli 2017] § 202 Rn. 57 ff.). Vielmehr wären dem Grundsatz nach auch sonstige Arbeitsleistungen der vier Gesellschafter für die Gesellschaft mit einem kalkulatorischen Lohn zu berücksichtigen. Denn auch für diese Tätigkeiten müsste die AG eine Vergütung entrichten (vgl. Klenner Unternehmensbewertung im Zuge-winnausgleich S. 210; IDW Standard 1 idF 2008, IDW-FN 2008, 271 Rn. 40).

Obwohl damit nach Auffassung des BGH die im konkreten Fall als Unternehmerlohn in Ansatz gebrachten 110.000,00 EUR zu wenig und der in Ansatz gebrachte Unternehmenswert zu hoch war, änderte der BGH am Ergebnis des Berufungsgerichts nichts:

Mache der Ausgleichschuldner nach erfolgter sachverständiger Wertermittlung geltend, diese sei unzutreffend, weil sie Gegebenheiten unberücksichtigt lasse, so treffe ihn jedenfalls dann nach allgemeinen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast für die nach seiner Auffassung in die Wertermittlung noch einzubeziehenden Umstände, wenn der Ausgleichsgläubiger außerhalb des insoweit maßgeblichen Geschehensablaufs stehe und den rechtserheblichen Sachverhalt nicht von sich aus ermitteln könne (vgl. etwa BGH Urteil vom 10. Februar 2015 VI ZR 343/13 NJW-RR 2015, 1279 Rn. 11 mwN).

Dieser sekundären Darlegungslast habe der Beklagte nicht genügt. Daher gehe es zu seinen Lasten, dass der Umfang der nicht unternehmensleitenden Tätigkeiten der vier Gesellschafter unklar geblieben sei und bei der Ermittlung des Unternehmerlohns keine Berücksichtigung finden konnte.

Da insbesondere die vom Berufungsgericht entsprechend der Senatsrechtsprechung berücksichtigte latente Steuerlast (vgl. dazu Senatsurteil BGHZ 188, 249 = FamRZ 2011, 1367 Rn. 46 ff.) keine dem Beklagten nachteiligen Berechnungsfehler aufweise und die angefochtene Entscheidung im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden sei, habe das Berufungsgericht die Berufung des Beklagten zu Recht zurückgewiesen.

Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, die Unternehmenswertermittlung des Sachverständigen mit Fachwissen zu begleiten, denn wie die Entscheidung zeigt kommt es auch auf außerhalb der Bilanz liegende Umstände an. 

 

Die Hassenpflug Rechtsanwalts GmbH  arbeitet interdisziplinär in den Gebieten Recht und Steuern und berät Mandanten bundesweit auch bei den schwierigen Fragen der Unternehmerscheidung und Unternehmensbewertung. Durch die Kombination von Recht und Steuern unter einem Dach ist gerade in solchen komplizierten Fällen gewährleistet, dass über die qualifizierte familienrechtliche Beratung hinaus auch die steuer- und bilanzrechtlichen Besonderheiten des jeweiligen Falles fachkompetent durch einen Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater oder Fachberater für Unternehmensnachfolge bearbeitet werden.